Syrischer Marmorkuchen für alle

PLIEZHAUSEN. (VON TILL BÖRNER) Um 15.45 Uhr war das Café Kännle noch fast leer; nur einige Helfer wuselten durch den Raum, verteilten Tassen und Teller auf den Tischen, schnitten den Kuchen an, und Günter Herbig übte ein paar Klänge auf der Gitarre. 20 Minuten später hatte sich das Bild komplett gewandelt: Nun waren alle Stühle belegt, die Menschen redeten, lachten oder hatten ihren Spaß mit den Spielen, die ausgelegt waren.

Zum ersten Mal hatte der Freundeskreis Asyl zum Beisammensein ins »Asylcafé« eingeladen: alle Pliezhäuser, insbesondere die Unterstützer des Arbeitskreises und natürlich die Asylbewerber selbst.

Integration geht auch durch den Magen: Der syrische Marmorkuchen fand bereitwillige Abnehmer. FOTO: TBÖIntegration geht auch durch den Magen: Der syrische Marmorkuchen fand bereitwillige Abnehmer. FOTO: Till Börner

Fast 50 Leute, vom Kleinkind bis zum Rentner, waren gekommen und lauschten den Worten von Bürgermeister Christof Dold. Er betonte, dass Staat und Gemeinden nicht in der Lage seien, die Integration der Flüchtlinge allein zu schaffen, und dass dies nur dank der ehrenamtlich Tätigen funktionieren könne. »Das Engagement der vielen Helfer in unserem Ort macht die Gemeinde reicher.« Dold deutete an, dass es auch offene Ablehnung gegenüber Flüchtlingen gab, er blicke aber dennoch positiv in die Zukunft. »Ressentiments und Ängste« könnten am besten abgebaut werden, indem man die Asylbewerber kennenlerne.

Paten betreuen Neuankömmlinge

So sehen das auch Günter Herbig und Hanne Sell, die beiden Sprecher des Freundeskreises. Sie koordinieren seit Monaten die Arbeit der Freiwilligen. Insgesamt sind es fast hundert Helfer, die den Menschen aus Afghanistan, Serbien, Syrien und Togo bei ihrem neuen Leben in Deutschland unter die Arme greifen. Die Akzeptanz ihrer Arbeit sei sehr hoch in der Bevölkerung, erklären die beiden. Die Proteste gegen die Standorte für die Asylbewerberunterkünfte – geäußert in Form von Flugblättern und Plakaten – sind momentan verstummt. »Das ist aber ein Thema, das polarisiert«, weiß Herbig. Das mussten auch die Helfer des Arbeitskreises spüren: Nicht jeder im privaten Umfeld hatte Applaus und lobende Worte für ihr ehrenamtliches Tun übrig. 27 Flüchtlinge leben aktuell in Pliezhausen, weitere werden in den nächsten Monaten hinzukommen. Wie viele es genau werden, weiß aktuell keiner. »Wir haben keine Ahnung, was auf uns zukommt«, erklärt Günter Herbig ganz offen. Angst macht ihm das aber nicht, denn der Freundeskreis Asyl ist vorbereitet. Paten werden sich um die Neuankömmlinge kümmern, sie zu Ämtern und Behörden begleiten, ihnen wichtige Adressen im Ort zeigen und allgemeine Fragen beantworten. Ein Konzept, das sich bisher als hilfreich bewiesen hat. Eine »Willkommensmappe« mit gespendeten Hygieneartikeln, mit Telefonnummern, Busfahrplänen und Stadtplänen wird jeder neue Flüchtling erhalten. Wer die Mappe in Pliezhausen in die Hand gedrückt bekommt, hat fast immer eine mühevolle und von Gefahren begleitete Flucht hinter sich sowie schlimme Erlebnisse im Heimatland, die häufig psychische Spuren hinterlassen haben. »Was die Menschen alles erlebt haben, wissen wir nicht genau. Nur wenige erzählen davon«, so Herbig. Um besser mit der Situation umgehen zu können, haben einige Arbeitskreismitglieder eine Fortbildung besucht, bei der sie im Umgang mit Menschen, denen Traumatisches widerfahren ist, geschult wurden.

Extra-Hilfe beim Deutsch lernen

Ein Erfolgsmodell ist die »Deutschfördergruppe«, die jeden Dienstag und Donnerstag in den Räumen der evangelisch-methodistischen Kirche stattfindet. Sie ergänzt die Deutschkurse der Volkshochschule. »Dort wird das Gelernte noch einmal vertieft, wir helfen bei den Hausaufgaben und sind inzwischen ein eingespieltes Team«, berichtete Hanne Sell. Hilfe gab es bereits beim Verfassen von Bewerbungen, bei Bedarf wird auch die Stromrechnung erläutert. Neben Ausflügen in die Wilhelma oder nach Tübingen hat es bereits einen Kochabend gegeben, bei dem eine syrische Familie Spezialitäten aus ihrer Heimat zubereitete. Herbig begleitete die Veranstaltung im Café Kännle musikalisch und hatte von Bob-Dylan-Hits bis zu Weihnachtsliedern eine bunte Mischung Guter-Laune-Songs dabei. Sehr beliebt war auch der syrische Marmorkuchen, vom dem fast jeder ein Stück probieren wollte. Für die Helfer des Arbeitskreises bedeutet der Umgang mit den Asylbewerbern auch das Kennenlernen anderer Kulturen, was ab Januar für jeden Pliezhäuser möglich ist. Dann soll das Asylcafé regelmäßig zweimal im Monat stattfinden. Bis dahin wollen die Verantwortlichen aber noch einen geeigneteren Namen für das Treffen finden. (GEA)